Wie Corona unsere Sprache verändert hat

1200 Wortneuschöpfungen

Die Welt, wie wir sie kannten, hat sich für uns alle in einem Maße geändert, in dem wir es uns noch 2019 nicht hätten vorstellen können. Vielerorts spricht man von einer „Neuen Normalität“ (the new normal). Ausdrücke wie Homeoffice, Homeschooling, impfmüde, Aluhut, Querdenker, Social Distancing und R-Wert haben Einzug in den aktiven Wortschatz der Deutschsprechenden gehalten und prägen Acht-Uhr-Nachrichten und Titelseiten der Tageszeitungen. Etwa 1.200 Wortneuschöpfungen hat das Goethe-Institut gezählt. So viele Wortkreationen rund um das Thema COVID-19 sind in unserem Wortschatz hinzukommen.

The New Normal

Doch viele davon sind auch tückisch. Nehmen wir den Begriff „Neue Normalität“. Eine Art von Normalität, mit der wir längere Zeit konfrontiert sein werden. Eben bis wir es geschafft haben, bessere Möglichkeiten zu finden, um die weitere Ausbreitung der Pandemie einzudämmen. Die Neue Normalität steht für Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren, zum Teil für Arbeitslosigkeit, Überbrückungsgelder… Nicht gerade verheißungsvoll.

Everything passes – no matter what (Barry G.)

Seit jeher beeinflussen Kriege und Seuchen immer auch unsere Sprache. SARS-CoV-2 breitete sich weltweit rasant aus, und wir wissen immer noch nicht, ob das Schlimmste schon überstanden ist. Die Pandemie hält an und ist vielleicht nur vergleichbar mit der Pest, die im 14. Jahrhundert in Europa wütete und ein Drittel der Menschen das Leben kostete. Solche Ereignisse lassen sich nicht ausradieren und werden zum Teil auch in unserer Sprache tradiert. Ausdrücke „wie die Pest“ drückt salopp in einem starken Maße aus.

Ein Akronym hält weltweit Einzug in den Sprachgebrauch

Auch in anderen Ländern hinterlässt COVID-19 seine Spuren. Im April 2021 haben die Herausgeber des Oxford English Dictionary sich etwas Besonderes einfallen lassen. In den vergangenen 20 Jahren wurden jeweils quartalsweise Aktualisierungen veröffentlicht, die neue Wörter und Begriffe umfassten, die in der nächsten Ausgabe enthalten sein sollten. Diese Aktualisierungen wurden in der Regel im März, Juni, September und Dezember zur Verfügung gestellt. Im späten Frühjahr und erneut im Juli 2021 machten die Redakteure dieses beliebten Wörterbuchs jedoch spezielle Neuerungen publik, da sie die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die englische Sprache dokumentieren mussten. Obwohl die Redakteure viele Veränderungen in der englischen Sprache im Zusammenhang mit dem Coronavirus dokumentiert hatten, sind einige ihrer Beobachtungen überraschend. So behaupten sie zum Beispiel, dass die Pandemie nur ein einziges wirklich neues Wort hervorgebracht hat: das Akronym COVID-19 (Abkürzung von: engl.: coronavirus disease 2019.)

Neue Kofferwörter, Wortschöpfungen und Vokabular

Der überwiegende Anteil der Veränderungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus haben damit zu tun, dass ältere, eher weniger geläufige Wörter und Ausdrücke in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen wurden, zum Beispiel Reproduktionszahl und Social Distancing. Sie haben auch die Schaffung neuer Wortkombinationen dokumentiert, die auf bereits bestehendem Vokabular basieren. Gleichzeitig dokumentieren die Redakteure weiterhin die Sprache, die sich verändert und weiterentwickelt. Die vierteljährlichen Aktualisierungen enthalten eine Liste der neuen Wörter und Überarbeitungen. Das September-Update 2021 enthält zum Beispiel „Craftivist“ und „Cookie Monster“.

Soziale Veränderungen beeinflussen auch immer die Sprache

Die speziellen Aktualisierungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus geben uns einen Einblick, wie sich Sprache angesichts beispielloser sozialer und wirtschaftlicher Umwälzungen schnell verändern kann. Eine der Auswirkungen der Pandemie ist zum Beispiel, dass sie zuvor medizinische Begriffe in den Vordergrund der Alltagssprache gerückt hat. Traditionell nehmen Wörterbuchredakteure wissenschaftliche und technische Begriffe nur dann auf, wenn diese außerhalb des Fachgebiets einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichen. Das ist bei den Namen von Medikamenten der Fall, von denen es viele Tausende gibt. So finden Sie beispielsweise Ritalin und Oxycontin im Wörterbuch, aber nicht Aripiprazol. Die Pandemie hat jedoch dazu geführt, dass mindestens zwei Medikamentennamen in den öffentlichen Diskurs geraten sind. Hydroxychloroquin, ein Malariamittel, wurde im Juli 2021 in das Oxford English Dictionary aufgenommen, obwohl der Name des Medikaments bereits 1951 in der Literatur auftauchte. Ein weiteres berühmtes Medikament ist Dexamethason, ein Kortikosteroid. Es erschien bereits 1958 im Druck und wurde in die zweite Auflage des Wörterbuchs aufgenommen. In der Juli-Aktualisierung haben die Redakteure ein Zitat aufgenommen, das den aktuellen Einsatz des Medikaments zur Bekämpfung des Coronavirus illustriert.

Einzug in den aktiven Sprachgebrauch

Begriffe, die sich auf die soziale Isolation beziehen, gab es schon lange vor der COVID-19-Pandemie, aber sie sind im Jahr 2020 viel gebräuchlicher geworden. Die Begriffe „selbst isolieren“ „selbst isoliert“ und „an Ort und Stelle unterbringen“ wurden alle neu zitiert, um ihre aktuelle Verwendung zu verdeutlichen. In ähnlicher Weise hat sich der 1981 dokumentierte Ellbogenstoß von einer Geste, die dem Abklatschen ähnelt, zu seiner heutigen Form entwickelt: eine sichere Art, eine andere Person zu begrüßen.

Regionale Unterschiede in der Sprache

Auch in der Anwendung zeigen sich einige regionale Unterschiede. „Self-isolate“ ist der bevorzugte Begriff im britischen Englisch, während „self-quarantine“ eher in den USA verwendet wird. „Rona“ oder „The Rona“ als Slang für das Coronavirus wurde in den USA und Australien beobachtet. Allerdings haben die Wörterbuchredakteure keine ausreichende Verbreitung dokumentieren können, um die Aufnahme zu rechtfertigen.

Lexikographie und Beständigkeit von Wortschöpfungen

Ein ständiges Problem für Lexikographen ist die Entscheidung, ob ein Terminus über ausreichende Beständigkeit verfügt, um in das Wörterbuch aufgenommen zu werden – oder eben nicht. Die COVID-19-Pandemie hat eine ganze Reihe neuer Ausdrücke hervorgebracht, die sich aus anderen Wörtern zusammensetzen, und viele von ihnen stehen auf der Beobachtungsliste der Redakteure. Dazu gehören „Maskne“, ein durch den Mundschutz hervorgerufener Akneausbruch, „Zoombombing“, wenn Fremde oder Familienmitglieder in Videokonferenzen eindringen, und „Quarantini“, ein Kofferwort aus Quarantäne und Martini. Weitere neue Wortschöpfungen sind „Covidiot“ für jemanden, der die Empfehlungen der öffentlichen Sicherheit ignoriert, „Doomscrolling“, wenn man angstauslösende Pandemieberichte auf dem Smartphone überfliegt, und der deutsche Begriff „Hamsterkauf“, der für Panikkäufe steht. Ob diese Bezeichnungen nach der Pandemie noch gebräuchlich sein werden, kann nur vermutet werden.

Wörterbuchredakteure des Oxford English Dictionary

COVID-19 selbst ist eine Wortschöpfung. Laut den Herausgebern des Nachschlagewerks erschien der Begriff erstmals in einem Lagebericht der Weltgesundheitsorganisation vom 11. Februar als Abkürzung für „Coronavirus-Krankheit 2019“. COVID-19 oder Covid-19? Was ist die richtige Schreibweise? Die Redakteure der Enzyklopädie stellen auch bei diesem Terminus regionale Unterschiede fest. „COVID“ in Versalien ist in den USA, Kanada und Australien vorherrschend, während „Covid“ in Großbritannien, Irland, Neuseeland und Südafrika gebräuchlicher ist. Da das Oxford English Dictionary in England redigiert und veröffentlicht wird, hat somit die britische Form Vorrang. COVID-19 hat unsere Sprache rund um den Globus nachhaltig verändert. Wir müssen wohl oder übel mit Wortschöpfungen wie „Neue Normalität“ leben. Früher oder später werden auch diese Begriffe sicherlich wieder abgelöst werden.

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