JVEG-Änderung: deutliche Kritik von Übersetzern und Dolmetschern

Übersetzer im Rechtswesen nicht einverstanden mit Novellierung

Berufsverbände der Übersetzer im Rechtswesen bemängeln die Novellierung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG). Die neuen Vergütungssätze seien zu gering und entsprächen nicht den Preisen am Markt. Zudem könnten Behörden über Vergütungsvereinbarungen nach wie vor niedrigere Honorare durchsetzen. Die Länder rechtfertigen die Regelungen unter anderem mit Belastungen durch die Corona-Pandemie.

Ermächtige Übersetzer für beglaubigte Übersetzungen

Für die Vergütung von Übersetzern, die in der Justiz tätig sind, gelten ab 1. Januar 2021 neue Regelungen. Mit dem Inkrafttreten des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 (KostRÄG 2021) erhalten Dolmetscher künftig für jede Arbeitsstunde einheitlich 85 Euro – unabhängig von der Art des Auftrags. Zuvor lag der Stundensatz für Konsekutivdolmetscher bei 70 Euro und für Simultandolmetscher bei 75 Euro. Außerdem sieht die Neufassung des Gesetzes fortan einen Zuschlag für außergewöhnliche Arbeitszeiten vor. Übernimmt ein Dolmetscher zwischen 23 und sechs Uhr oder an Sonn- und Feiertagen einen notwendigen Auftrag, erhält er dafür ein um 20 Prozent höheres Honorar.

Schwierige Übersetzungen: erhöhter Satz

Änderungen bei der Vergütung ergeben sich auch für Übersetzer. Das Grundhonorar für das Übersetzen elektronisch editierbarer Texte beträgt nun 1,80 Euro je Normzeile statt 1,55 Euro. Einer Normzeile entsprechen 55 angefangene Anschläge. Für besonders schwierig zu übersetzende Texte gilt ein erhöhter Satz von 1,95 Euro (zuvor: 1,85 Euro). Liegen Texte nicht in editierbarer elektronischer Form vor, wird die Übersetzung mit 1,95 Euro pro Normzeile vergütet (bisher: 1,75 Euro). Der entsprechende erhöhte Tarif für besonders schwierige Texte steigt von 2,05 auf 2,10 Euro. Auch das Mindesthonorar für eine Übersetzung ändert sich von 15 auf 20 Euro.

Gesonderte Honorare für Übersetzer und Dolmetscher

Weiterhin wichtig: Vergütungsvereinbarungen zwischen Behörden und Übersetzern bleiben möglich. Jedoch sind die Bedingungen, unter denen sie zustande kommen dürfen, teilweise unklar. Nach § 14 JVEG können oberste Behörden von Bund und Ländern mit häufiger herangezogenen Dolmetschern und Übersetzern gesonderte Honorare aushandeln. Diese dürfen niedriger, aber nicht höher als die gesetzlichen Tarife sein. Wann ein Sprachmittler als häufiger herangezogen gilt, ist gesetzlich nicht geklärt.

Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer

Berufsverbände wie der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) und der Deutsche Verband der freien Übersetzer und Dolmetscher (DVÜD) bewerten die neuen Regelungen in öffentlichen Stellungnahmen als größtenteils enttäuschend. Stein des Anstoßes ist unter anderem die Höhe der Vergütungssätze. Diese sei angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung viel zu gering ausgefallen. So sah etwa der Gesetzesentwurf der Bundesregierung für Dolmetscher einen Stundensatz von 90 statt der beschlossenen 85 Euro vor. Auch verweisen die Berufsverbände darauf, dass die auch künftig zulässigen Vergütungsvereinbarungen zu einem Unterbietungswettbewerb führten. Die entsprechende Regelung des § 14 JVEG steht seit langem im Zentrum der Kritik von Branchenvertretern.

Beglaubigte Übersetzungen von ermächtigen Übersetzern

Dass sich die Länder im Gesetzgebungsverfahren mit ihrem Vorschlag über ein Dolmetscher-Honorar von 85 Euro je Stunde durchgesetzt haben, ist auch eine Folge der Corona-Pandemie. Angesichts der immensen Belastungen für die öffentlichen Haushalte hatten der Rechts- und der Finanzausschuss des Bundesrates in seiner gemeinsamen Empfehlung Anfang November 2020 gewarnt: Durch einen höheren Stundensatz entstünden erhebliche Mehrkoste. Die von den Ländern befürchtete Kostenexplosion führte kurzfristig gar zu Überlegungen, das Inkrafttreten der Änderungen des JVEG auf den 01.01.2023 zu verschieben. Durch einen solchen Aufschub wären die bislang geltenden niedrigeren Vergütungssätze zwei Jahre länger gültig geblieben. Die staatlichen Kosten für die Dienste von Dolmetschern und Übersetzern im Rechtswesen für beglaubigte Übersetzungen belaufen sich jährlich auf Millionen-Euro-Beträge. Diese tragen vor allem die Länder.

 

Übersetzer bei Gericht: höhere Honorare von der Politik gefordert

Das JVEG gilt seit dem Jahr 2004 und wurde zur Rechtsvereinheitlichung geschaffen. Es ersetzte bei seiner Einführung mehrere Einzelgesetze – unter anderem das auch für Übersetzer und Dolmetscher in der Justiz geltende Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG). In der Praxis bedeutete die Gesetzesreform von 2004 für viele Dolmetscher und Übersetzer starke wirtschaftliche Einbußen. Die letzte Änderung des JVEG gab es 2013 mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG). Damals wurden unter anderem die Honorare für Dolmetscher um bis zu 25 Prozent angehoben. Seit Jahren diskutieren Vertreter der politischen Parteien und der Berufsverbände darüber, die Vergütungen für Sprachmittler im Rechtswesen zu indexieren und an die allgemeine Entwicklung der Löhne zu koppeln. Ein entsprechender Entschließungsantrag der FDP-Fraktion fand Ende November 2020 jedoch keine Mehrheit im Bundestag.

 

Übersetzer müssen persönlich zuverlässig sein

Die Landesjustizverwaltungen unterhalten eine Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank. Sie verzeichnet aktuell rund 25.000 beeidigte Mitglieder. Voraussetzung für die Beeidigung sind nicht nur die erforderlichen Kenntnisse in der Ausgangs- und Zielsprache auf dem Niveau eines Muttersprachlers. In der Regel wird – je nach Land – auch juristisches Grundwissen gefordert, sowohl im deutschen Recht als auch über die entsprechenden fremden Rechtssysteme. Zudem müssen Übersetzer und Dolmetscher persönlich zuverlässig sein und in wirtschaftlich geordneten Verhältnissen leben. Nach Angaben des Berufsverbands BDÜ haben professionelle Dolmetscher und Übersetzer typischerweise ein Studium an einer Hochschule oder Fachakademie absolviert. Sprachmittler, die in Deutschland im Rechtswesen arbeiten, sind in aller Regel als Freiberufler tätig.